Das fehlende Wissen über Dinge, die auf unsere Welt passieren, bring oft seltsame Früchte hervor. Eine dieser Früchte ist die Ringelgans. So dachten die hiesigen Küstenbewohner im Mittelalter, dass die Ringelgans in fernen Ländern an Bäumen wächst. Auf Treibholz angespülte Entenmuscheln wurden als unreife Gänsefrüchte angesehen. Was heute lustig daherkommt, war früher weitverbreiteter Kenntnisstand. Aber woher kam diese seltsame Annahme überhaupt? Die Antwort darauf ist recht schnell gefunden. Ringelgänse brüten in Sibirien, verbringen die Winter aber unter anderem bei uns an den Küsten. So hat hier niemals ein Mensch die Ringelgans brüten sehen. Scheinbar war der Schluss, dass sie auf Bäumen wachsen damals näherliegend als der, dass sie einfach an einem anderen Ort brüten.
Heute wissen wir natürlich sehr viel mehr über diese faszinierenden Tiere. Die vegetarisch lebenden, eher kleinen, Gänse werden bis zu 20 Jahre alt. Dabei bleiben sie ihrem Partner, und meist auch ihrem Brutgebiet, ihr Leben lang treu. Gleiches gilt im Übrigen auch für ihren Nachwuchs. Nur etwa 10 % der Nachkommen erschließen ein neues Brutgebiet. Die anderen greifen auf jenes zurück, dass sie von ihrer eigenen Geburt kennen.
Auch außerhalb der Brutzeit pflegen die Ringelgänse ein sehr soziales Miteinander. Sie leben in großen, festen Familienverbänden zusammen. Den Tag verbringen sie hauptsächlich mit der Nahrungsaufnahme. Da nur ein Drittel der aufgenommenen Nahrung tatsächlich verdaut werden kann, benötigen sie dementsprechend viel Grünzeug. Und was oben rein kommt, will unten natürlich wieder raus. So lassen Ringelgänse alle 3 bis 4 Minuten ein Würstchen fallen.
Früher traten die Ringelgänse in ihren hiesigen Überwinterungsgebieten in extrem großer Anzahl auf. Doch dann - um 1930 - kam es im Wattenmeer bei einer ganz bestimmten Seegrasart zu einem Pilzbefall. In Teilen des Wattenmeers verschwand diese Art vollständig. Dem Wegfall dieser Hauptnahrung fielen Tausende Gänse zum Opfer, sie verhungerten schlicht. Der Bestand brach komplett ein. Der Niedergang zog sich hin, bis etwa Anfang der 1950er Jahre. Zu dieser Zeit fingen die Ringelgänse an, ihre Ernährung umzustellen: ihre Rettung. Seitdem erholten sich die Bestände wieder und sind heute stabil.
Die Ringelgans
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