Das Wildschwein

Es ist borstig, schlau, erfolgreich und riecht streng: das Wildschwein. In unserer aufgeräumten Kulturlandschaft kommt es mit seiner gedrungenen Gestalt und seinem borstigen Fell ein wenig urig daher. Mildere Winter sowie ein reiches Nahrungsangebot durch Fütterungen und eine intensive Landwirtschaft sorgen für einen wachsenden Bestand. Hinzu kommt ihre unglaublich hohe Anpassungsfähigkeit, mit der diese Tiere sogar den urbanen Raum erobert haben.

In Freiheit werden Wildschweine selten älter als 10 Jahre. Bei einer Größe von bis zu 100 Zentimeter Höhe und 180 Zentimeter Länge können sie ein Gewicht von 200 Kilogramm erreichen. Dabei werden männliche Tiere größer und schwerer als weibliche. Schon in der Ernährung spiegelt sich ihre beeindruckende Anpassungsfähigkeit wieder. Angefangen bei Baum- und Feldfrüchten, über Pilze bis hin zu Wirbellosen, kleinen Säugern, Vögeln und Aas greifen sie auf das zurück, was Lebensraum und Jahreszeit zu bieten haben.

Ihr Körper bietet ihnen ein ganzes Arsenal an praktischen Hilfsmitteln für die Nahrungsbeschaffung. Für uns am leichtesten erkennbar ist dabei die ausgeprägte Nase. Sie dient nicht nur als Werkzeug, um Nahrung zu riechen, sondern auch um sie aus der Erde auszugraben. Auch die Augen der Wildschweine sind an ihre Lebensweise angepasst. So ist die Fähigkeit für das Farbsehen kaum ausgebildet. Dafür sind die Augen aber bestens für das Sehen in der Dämmerung geeignet.
Weil die Augen für das Wildschwein überlebenswichtig sind, kommen ihnen verschiedene Sicherheitsvorkehrungen zu. Sie befinden sich tief im Schädel und werden durch eine massige Knochensubstanz geschützt. Hinzu kommt ein ausgefeilter Mechanismus in den langen Wimpern der Wildschweine. Werden diese berührt, beispielsweise auf der Flucht durchs dichte Unterholz, wird reflexartig ein Lidschlag ausgelöst. Durch die stabilen Augenlider werden die Augen zusätzlich geschützt.

Das Leben der Wildscheine

Einen Großteil des Tages verbringt das Wildschwein ruhend. Wann dies der Fall ist, hängt mit der Umgebung zusammen, in der sie Leben. Für das Ruhen suchen sie oft Stammplätze auf. Gleiches gilt für eine weitere Beschäftigung: das Suhlen. Das erfüllt gleich mehrere Zwecke. Zum einen reguliert es die Körpertemperatur. Daher ist eine Möglichkeit zum Suhlen gerade im Sommer für sie sehr wichtig. Zum anderen hilft ein Schlammbad, um sich lästige Parasiten vom Pelz zu halten.
Um sich der Schlammkruste zu entledigen, reibt sich das Wildschwein an einem Baum. Wie bereits beschrieben, ist das Wildschwein ein Gewohnheitstier und so sucht es dazu oft den gleichen Baum auf. Bei Spaziergängen im Wald lassen sich solche Bäume leicht erkennen. Eine Erklärung, warum das Wildschwein zur Körperpflege Bäume braucht, gibt es übrigens auch. Es verfügt nur über einen kurzen Hals, der noch dazu sehr unbeweglich ist. Daher erreicht es nur einen geringen Teil seines Körpers mit dem Gebiss und nimmt für den übrigen Teil einen Baum zur Hilfe.

Das Familienleben der Wildschweine

Zwischen März und April kommt der Nachwuchs der Wildschweine zur Welt. Sie können bereits sehen und sind durch ihr hellbraunes Fell mit den gelblichen Längsstreifen gut getarnt. Erst nach drei bis vier Monaten verlieren sie die Streifen. Bis zu dieser Zeit werden sie von ihrer Mutter gesäugt und beschützt. Wildschweine haben ein gutes Gehör und einen ausgeprägten Geruchssinn. So machen sie um potenzielle Feinde – wie den Menschen – am liebsten einen Bogen. Doch sicher ist sicher: Beim Waldspaziergang sollte man die Augen offen halten, um sich nicht in Gefahr zu begeben, indem man zwischen die Mutter und ihre Jungen gerät. Falls es doch dazu kommt, gilt die Devise: ruhig bleiben und sich langsam wegbewegen.

Wildschweine zu beobachten lohnt sich nicht nur wegen ihrer beeindruckenden Gestalt, sondern auch wegen ihrem komplexen Sozialverhalten. In den Gruppen lebt oft die Mutter mit ihrem Nachwuchs zusammen. Sie werden mitunter vom weiblichen Nachwuchs aus dem Vorjahr begleitet, der zu dieser Zeit oft bereits eigene Jungen hat.

Die Bedeutung der Wildschweinsuhle für das Ökosystem Wald

Das Thema Wasser wird heute im Angesicht der Klimakrise immer wichtiger. Wir alle kennen den Biber und erkennen glücklicherweise immer mehr seine überaus wichtige Rolle auch für uns Menschen. Doch neben ihm gibt es noch weitere Tiere, die in der Lage sind, Wasser in ihrem Lebensraum zu halten: Eins davon ist das Wildschwein. Zugegeben, mit dem Biber kann es das Wildschwein in diesem Punkt nicht aufnehmen. Aber dennoch ist die Ökosystemleistung, die es leistet, nicht zu unterschätzen.

Wildscheine sind sehr reinliche Tiere. Körperpflege ist ihnen wichtig. Um ihr Bedürfnis nach Sauberkeit zu befriedigen, suhlen sie sich an feuchten, schlammigen Stellen. Da sie, wie wir Menschen auch, Gewohnheitstiere sind, suchen sie zur Körperpflege gerne immer wieder die gleichen Orte auf. Und so verdichten und vertiefen sie bei jedem Besuch ihrer Suhle den Boden und schaffen damit eine kleine Wasserstelle im Wald.

Es dauert meist nicht lange, bis sich hier auch andere Tiere einfinden. Sei es nun um ihren Durst zu stillen oder ebenfalls ein Bad zu nehmen. Denn nicht nur Wildscheine werden geplagt von Zecken, Hirschlausfliegen und Co. Ein Bad im Schlamm ist also nicht nur eine willkommene Abkühlung an heißen Sommertagen, sondern dient auch der Bekämpfung von Parasiten auf dem Körper.

Eine solche Suhle kann aber auch schnell als Kinderstube entdeckt werden. Ob das geschieht und wer Interesse bekundet, hängt natürlich von der Beschaffenheit der Suhle ab. Als mögliche Nutzer sind oft Insekten zu beobachten. Aber auch Amphibien können Suhlen als Laichgewässer nutzen. Es gibt sogar Arten, die sich ganz gezielt auf derartig kleine und regelmäßig austrocknende Gewässer spezialisiert haben: Zum Beispiel die Gelbbauchunke.

Die Gestaltung des Lebensraumes hört bei den Wildschweinen allerdings nicht an der Suhle auf. Denn nach dem Suhlen kommt das ausgiebige Schubbeln. Schließlich gilt es, die Schlammpackung und mit ihr die lästigen Parasiten wieder loszuwerden. Hierzu nutzen die Tiere, ob nun Wildschwein oder Hirsch, Bäume. Sie lehnen sich an und scheuern sich daran. Und auch hier gilt das Prinzip der Gewohnheit. Vor allem Wildscheine nutzen immer wieder den gleichen Baum.

Im Laufe der Zeit sind die Spuren an den jeweiligen Bäumen deutlich zu erkennen - allmählich reiben die Schweine sogar die Rinde ab und legen das Holz frei. Unter Umständen stirbt ein solcher Baum ab. Für die verschiedensten Arten von Insekten und Pilzen ist das der Startschuss für die Besiedlung des Totholzes. Die Wildscheine schaffen so auch Lebensräume für viele weitere Arten.

Übrigens ist das Absterben von Bäumen an Waldgewässern zum Beispiel auch für die erwähnte Gelbbauchunke wichtig. Denn der Nachwuchs wächst am schnellsten im erwärmten Wasser heran und wo Bäume absterben, fällt der erforderliche Sonnenschein durch das sonst dichte Kronendach.

Die Wildschweinsuhle ist in vielerlei Hinsicht ein faszinierendes Beispiel für die faszinierenden Zusammenhänge in der Natur.

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