Der Feldhase

Von Januar bis Oktober ist bei den Feldhasen der Kampf angesagt. Doch bei den Kämpfen spielen nicht rivalisierende Männchen, sondern ausnahmsweise das Weibchen die Hauptrolle. Ob Sprinten oder Boxen – nur der sportlichste Feldhase kommt für die Fortpflanzung in Frage.

In der Mythologie

Der Hase war einst fester Bestandteil von Mythen und Sagen überall auf der Welt. Mit ihrer Hilfe wurden Dinge erklärt, für die es damals keine Erklärung gab. Ein Tier, das schon beim geringsten Anlass flieht, muss etwas im Schilde führen. Wie ließe sich die Intelligenz des Hasen besser erklären, als dass er mit Hexen im Bunde steht? Einige Kulturen gingen noch einen Schritt weiter. Hier stand der Hase nicht im Bund mit Hexen, sondern hatte sogar die Fähigkeit, sich selbst in eine Hexe zu verwandeln. Wegen seiner allseits bekannten Rammelei galt er als lasterhafter Ernteschädling. Ähnlich wie bei schwarzen Katzen glaubte man, dass es Unglück brächte, wenn ein Hase seinen Weg kreuzte.

Dass die Häsin 3 bis 4 Mal im Jahr trächtig wird, hat die Menschen schon früh fasziniert. Die Römer erhoben den Hasen zum Fruchtbarkeitssymbol, was ihm postwendend einen Platz in den Kochtöpfen sicherte. Denn der Genuss von Hasenfleisch versprach die Steigerung der Fruchtbarkeit. So wird überliefert, dass sich Kaiser Severus Alexander aus diesem Grund drei Mal in der Woche Hasenbraten zubereiten ließ.

Das Jahr 751 brachte für die Hasen ein Aufatmen mit sich. Papst Zacharias verbot den Verzehr von Hasenfleisch – ein Satansbraten, der die Sexualität fördern soll, wurde im frühen Christentum im wahrsten Sinne des Wortes verteufelt. Doch im Angesicht des Hungers in der Bevölkerung war das sicherlich kein wirksamer Schutz für den Feldhasen. Spätestens seitdem der "Osterhase" Einzug in die christliche Liturgie fand, ist er des Menschen nicht mehr sicher…

Da diese Mythen auch eine gewisse Kraft des Tieres voraussetzen, verwundert es nicht, dass der Hase auch ein Bestandteil der Medizin im Mittelalter gewesen ist. Verschiedene Teile des Hasen wurden verwendet, um unterschiedliche Leiden zu heilen. Wunden wurden mit der Galle behandelt. Dem Hasenhirn wurde nachgesagt, es würde Babys schneller zahnen lassen. Andere Organe wurden zu Liebestränken gemischt, um die Fruchtbarkeit zu steigern.

Seiner vielbeschriebenen Cleverness ist sogar ein Gedenkstein gewidmet. Die ihm zugrunde liegende Geschichte spielte im Rheinland: Wir schreiben das Jahr 1888 und sind auf einer Treibjagd im Klottenforst. Gleich sieben Jäger nahmen hier einen Hasen ins Visier. Allerdings blieben sie allesamt erfolglos. Denn der Hase wich ihren Schüssen tanzend aus und verschwand im Dickicht. Diesem Hasen war der Siebenschussstein gewidmet. Allerdings war das nicht geplant und der Urheber des „Sibbeschuss“, wie der Stein im Volksmund heißt, ist nicht bekannt. Ursprünglich war der Stein, der zum Denkmal wurde, nur ein Stein – genau genommen ein Grenzstein. Auf diesen wurde vom erwähnten Unbekannten ein Hase gemalt, in blauer Farbe. Im Jahr 1973 verschwand der Stein. Doch fünf Jahre später wurde beschlossen, ein neues Denkmal anzufertigen. Bis heute ist dieser zweite „Sibbeschuss“ fest im Boden verankert. Ende der Geschichte? Nicht ganz! Im Jahr 1985 tauchte der alte Stein wieder auf. Er fand seinen Platz am Stall des Forsthauses Buschhoven, wo er in die Wand eingemauert wurde.

Eine romantisch anmutende Sage finden wir in Japan. Sie beschäftigt sich mit der Fortpflanzung der Hasen. Es geschieht, wie sollte es anders sein, bei Vollmond. Dann steigt ein Hase vom Himmel herab. Auf der Erde angekommen, läuft er zum Meer und spielt in den Wellen. Im Anschluss daran, so die Sage, pflanzt er sich zahlreich fort.

Auch bei den Natives in Amerika ist der Hase positiv belegt. Eine Sage beschreibt, wie sich ein Hase von einem fast verhungerten Alten aufessen ließ. Dieser Alte war niemand anders als der König der Götter. Der König legte die Überreste des Hasen auf dem Mond ab. So sollte für alle Zeiten an sein Opfer erinnert werden.

Die Gefährdung

Hoppelt ein Feldhase heutzutage durch Deutschland, trifft er in seinem Lebensraum laut brummende Metallkisten, die auf grauem Grund vorbeirasen. Etwa 60.000 seiner Artgenossen kommen jedes Jahr bei einer solchen Begegnung ums Leben.

Wie andere Wildtiere, leidet auch der Feldhase unter der Zerschneidung der Natur durch unsere Straßen. Jeder 20. Quadratmeter ist mit Straßen und Plätzen bedeckt und jährlich kommt eine Fläche so groß wie 33.700 Fußballfelder an Siedlungs- und Verkehrsfläche hinzu.

Doch auch abseits der Straßen wird die ursprüngliche Natur zunehmend zurückgedrängt. So nutzen die Menschen jeden 3. Quadratmeter landwirtschaftlich. Die Felder werden von Monokulturen beherrscht, die kaum Nahrung für den Feldhasen bieten. Doch für ihn sind Schutz und Nahrung überlebenswichtig. Angesichts unseres immensen Flächenbedarfs sind wir in der Pflicht, bestehende Wildhecken zu erhalten und neue zu schaffen.

Obwohl der Feldhase in Deutschland in der Roten Liste als gefährdet bis stark gefährdet geführt wird, rückt der Mensch ihm weiter auf den Pelz. Denn selbst seine Gefährdung schützt ihn nicht davor, von Menschen getötet zu werden. Auf 60.000 im Straßenverkehr getötete Feldhasen kommen über 180.000 Feldhasen, die von Jägern getötet werden (Stand 2017). 

Ein weiter Grund für den starken Rückgang des Bestands wird insbesondere in der Intensivierung der Landwirtschaft gesehen. In diesem Zuge wurden den Wildtieren innerhalb der letzten zehn Jahre fast drei Viertel der Brachflächen genommen. Die flächendeckend angebauten Monokulturen bieten dem Feldhasen, der sich insbesondere von Wildkräutern ernährt, weder Schutz noch eine ausreichende Nahrungsgrundlage. Hinzu kommt der massive Einsatz von Dünger und Pestiziden, der im wahrsten Sinne des Wortes Gift für die Wildtiere ist.

Hase oder Kaninchen?

Für viele Menschen ist ein Feldhase im Grunde nichts anderes als ein großes Wildkaninchen. Oder anders herum - auf jeden Fall irgendwie gleich. Aber wie so oft gilt: Nur weil viele Menschen glauben, etwas zu wissen, muss das noch lange nicht stimmen. Denn die beiden Arten unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht.

In einem Punkt ist der Vergleich aber richtig: Der Feldhase ist deutlich größer als das Wildkaninchen. Er kann eine Länge von 57 Zentimetern und ein Gewicht von bis zu 8 Kilogramm erreichen. Im Regelfall liegt das Gewicht zwar deutlich darunter, aber dennoch bleibt er eine stattliche Erscheinung. Außerdem sind sowohl seine Ohren als auch seine Beine im Verhältnis zum Körper sehr viel länger als das beim Wildkaninchen der Fall ist.

Der Feldhase schützt sich durch einen Rundumblick von fast 360 Grad. Die Fähigkeit dazu geben ihm seine seitlich stehenden Augen. Allerdings ist er kurzsichtig und auf die Bewegungswahrnehmung spezialisiert. Wenn ihr einen Feldhasen beobachten möchtet, ist das Vermeiden von Bewegungen also auf jeden Fall hilfreich.


Das Fell

Der Feldhase ist, anders als das Wildkaninchen, in zweierlei Hinsicht auf sein Fell angewiesen. Natürlich dient es auf der einen Seite der Tarnung und somit dem Schutz vor Feinden. Anders als das Wildkaninchen nutzt der Feldhase keine Bauten. Und auch ihren Nachwuchs ziehen sie im Freien auf. Ein guter Kälte- und Nässeschutz ist daher auf der anderen Seite umso wichtiger. Während ein Wildkaninchen sich bei Regen einfach in seinen Bau zurückziehen kann, muss sich der Feldhase anders vor Durchnässung schützen.

Deshalb besteht das Feldhasenfell grob unterteilt aus zwei Bestandteilen: Die Unterwolle ist fein und weich. Sie verhindert vor allem eine Unterkühlung. Aus eigener Erfahrung aber wissen wir: Wer nass ist, friert. Um das zu verhindern, verfügt der Feldhase zudem über eine Grannenbehaarung. Diese Haare sind eine Form von Deckhaaren bei Säugetieren. Der Name kommt daher, dass sie am Ende eine kolbenartige Verdickung aufweisen. Diese Verdickung ähnelt einer Granne (dieser botanische Begriff beschreibt einen meist starren, faden- oder borstenförmigen Fortsatz eines Pflanzenorgans). Neben einer zusätzlichen wärmenden Eigenschaft sind die Grannenhaare besonders feuchtigkeitsabweisend. Unterwolle und Deckhaar bieten dem Feldhasen zusammen einen perfekten Schutz vor Kälte und Nässe.

Auf der Oberseite ist der Feldhase braungelb gefärbt. An den Seiten finden sich ins Rötliche gehende Farbtöne wieder. Durch schwarze Spitzen bildet sich eine ganz besondere Kontur, die den Feldhasen mit seiner Umgebung verschmelzen lässt. So ist er gut vor seinen Feinen geschützt, auch ohne schützenden Bau. Neben dem Menschen zählen natürlicherweise zum Beispiel Fuchs, Raben- und Greifvögel, sowie Wildschweine zu seinen Feinden. Zum Winter hin ist dann eine Änderung bei der Fellfärbung erkennbar. Der Feldhase passt sich der veränderten Farbgebung in der Natur an und wird heller, eher ins Gräulich-Bräunliche. Somit ist er auch auf die kalte Jahreszeit gut getarnt vorbereitet.

Übrigens: Die weißen, festen Barthaare erfüllen noch eine weitere Funktion. Sie dienen dem Feldhasen als Tasthaare.

Häschen in der Grube

Der Feldhase liebt, wie der Name schon vermuten lässt, das Offenland. Hier hat er eine gute Rundumsicht und kann sich somit bestmöglich gegen Feinde absichern. Für ihn ist das besonders wichtig, da er sich nicht – wie beispielsweise das Wildkaninchen – zum Schutz in Bauten zurückzieht. Der Feldhase ruht stattdessen in sogenannten Sassen. Eine Sasse ist im Grunde nicht viel mehr als eine Kuhle im Boden, mit deren Hilfe der Feldhase mit seiner Umwelt verschmilzt.

Auch sein Fell hilft ihm bei der Tarnung, denn es wechselt im Laufe der Jahreszeiten seine Färbung. So ist es im Sommer deutlich dunkler als im Winter. Doch reicht das, um im Offenland zu überleben? Nicht wirklich, denkt sich der Feldhase und geht lieber auf Nummer sicher. Kommt er von der Futtersuche zurück, nimmt er dabei nie den direkten Weg zu seiner Sasse. Mit der Absicht, seine Feinde zu täuschen, macht er Umwege, um falsche Fährten zu legen. Zu guter Letzt springt er mit einem größtmöglichen Sprung in seine Sasse, um die Duftspur auf diesem Wege möglichst ins Leere laufen zu lassen. Dabei hilft dem Feldhasen eine besondere Eigenschaft: Denn er hat an seinen Pfoten keine Duftdrüsen.

Sein Bemühen um eine bestmögliche Tarnung ist vor allem im Winter zu beobachten – beziehungsweise eben nicht zu beobachten. Dann lässt er sich nämlich in seiner Sasse sogar einschneien und fällt somit überhaupt nicht auf – sofern es ausreichend schneit.

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