Was ist Naturverjüngung ?

Naturverjüngung ist ein völlig natürlicher Vorgang, könnte man zumindest meinen. Es ist Herbst, die Samen unterschiedlichster Bäume fallen zu Boden. Mehr oder weniger erfolgreich beginnen viele kleine Bäume zu wachsen. Der Wald verjüngt sich von Natur aus, Naturverjüngung eben. Jedoch ist dieser natürliche Vorgang nicht das, was heute im Allgemeinen mit diesem Begriff beschrieben wird. Denn die Naturverjüngung beschreibt eine Bewirtschaftungsform im Wald.

In einem natürlichen, wirtschaftlich nicht genutzten Wald setzt die natürliche Verjüngung ein, wenn ein alter Baum umstürzt. Hierdurch entsteht ein Loch in der Kronendecke, die Sonnenstrahlen finden ihren Weg auf den Waldboden. Licht bedeutet Wachstum. Da Licht im restlichen Wald Mangelware ist, haben junge Bäume nur dort eine Chance zu wachsen, wo ein alter Baum gefallen ist.

In einem wirtschaftlich genutzten Forst findet dieser Prozess nicht statt. Wie auch, immerhin werden Bäume in der Blütezeit ihres Lebens geschlagen. Die Bäume erreichen ihr natürliches Alter nicht, machen also auch keinen Platz durch altersbedingtes Ableben. Und dennoch gibt es den Begriff Naturverjüngung in der Forstwirtschaft. Sachlich falsch verwendet ist er hier nicht. Denn die Verjüngung geschieht in der Tat von Natur aus. Jedoch alles andere als natürlich.

Der Mensch nutzt bei der forstwirtschaftlichen Naturverjüngung natürliche Prozesse zu seinem wirtschaftlichen Vorteil. Ziel ist es, mit möglichst wenig Aufwand den bestmöglichen Ertrag zu generieren. In der Praxis werden in einem Bestand vielerorts großflächig alte Bäume entnommen. „Schirmschlag“ nennen das Fachleute. „Schirm“ deswegen, weil dem Wald sein schützendes Blätterdach genommen wird. Die verbliebenen alten Bäume sind nur noch „Schirme“. Durch das von nun an fehlende geschlossene Blätterdach beginnt umgehend das Wachstum unzähliger Jungbäume. Wirtschaftlich von Vorteil ist, dass diese Verjüngung großflächig einsetzt. Die Bäume sind alle gleich alt, sprich, sie können auch alle relativ gleich geerntet und damit vermarktet werden. Das spart Geld durch die Optimierung der Arbeitsabläufe. Da hier keine Pflanzungen nötig sind, wird ebenfalls viel Geld gespart. Sowohl für Setzlinge, als auch für deren Pflanzung.

Haben die nachwachsenden Bäume ein gewisses Alter erreicht, werden die restlichen alten Bäume allzu oft komplett entnommen. In dieser Bewirtschaftungsform gibt es deshalb in der Regel nur zwei Altersklassen von Bäumen: Oben die alten Bäume und unten die jungen Bäume. Eine natürliche Altersstruktur sucht man hier vergebens. Kritiker dieser Bewirtschaftungsform reden oft von einem Kahlschlag auf Raten. Begründet wird dieser Ausdruck damit, dass die kompletten Altbestände praktisch in zwei Arbeitsabschnitten komplett entnommen werden. Würde dies in einem einzigen Arbeitsabschnitt geschehen, würden wir von einem Kahlschlag reden.

Selbstverständlich gibt es auch bewirtschaftete Wälder mit Naturverjüngung, in denen der beschriebene Kahlschlag auf Raten nicht stattfindet. Zum einen liegt das in der Natur der Sache, aus Baumsamen entstehen nun einmal kleine Bäume, sprich, überall wo Bäume wachsen, gibt es eine Naturverjüngung. Es gibt aber auch andere Bewirtschaftungsformen als die hier beschriebene, die ebenfalls auf Naturverjüngung setzen. Wichtig ist, dass wir im Einzelfall immer genau hinschauen und uns der Tatsache bewusst sind, welches Greenwashingpotenzial im Begriff der Naturverjüngung steckt.

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