Entgegen seinem Namen fischt der Austernfischer nicht – er stochert. Seinem langen Schnabel entgehen auch im Sand vergrabene Muscheln, Würmer und Krebse nicht.
Die persönlichen kulinarischen Vorlieben gibt der Austernfischer an seinen Nachwuchs weiter. Davon hängt auch die Entwicklung der Schnabelform ab – lernt der Nachwuchs, im Sand nach Würmern zu stochern, bekommt er einen spitz zulaufenden „Pfriemschnabel“, lernt er hingegen, Muscheln aufzuhämmern, bekommt er einen kürzeren „Hammerschnabel“. Dem elterlichen Unterricht bleibt der junge Austernfischer sein Leben lang treu.
Die Namen des Austernfischers
Volksnamen haben häufig etwas Beschreibendes an sich. So ist es auch im Fall des Austernfischers. In Niedersachsen hört er auf den niedlichen Namen „Ostfriesenstorch“. Etwas Ähnliches haben sich die Menschen in Schleswig-Holstein ausgedacht. Hier wird der Austernfischer auch „Halligstorch“ genannt. Diese beiden Namen passen im Grunde weitaus besser zu ihm als „Austernfischer“. Denn sie beschreiben sowohl sein Aussehen als auch seinen ausgewählten Lebensraum. Die Küste ist seine Heimat. Hier findet er Nahrung und Brutplätze.
Der Lebensraum
Doch auch der Mensch hat diesen Lebensraum zunehmend besiedelt. Da überrascht es nicht, dass die Bestände des Austernfischers stark eingebrochen sind. Zum Glück konnte dieser Negativtrend durch intensive Schutzbemühungen und die Ausweisung von Schutzgebieten aufgehalten werden.
Hinzu kam, dass der Austernfischer offensichtlich anpassungsfähiger ist, als man gemeinhin dachte. So verlagert er sein Vorkommen auch immer häufiger weg von der Küste hin ins Landesinnere. Hier lässt er sich am liebsten in Feuchtwiesen nieder. Aber auch Flussufer oder Baggerseen werden gerne angenommen.
Kurzfristig hat diese Verlagerung zur Stabilisierung des Austernfischerbestandes beigetragen. Doch mittlerweile ist er auch im Landesinneren verschiedenen Gefahren ausgesetzt. Die intensivere Nutzung der Landschaft, zum Beispiel durch die Landwirtschaft, setzt dem Austernfischer in seinen neuen Lebensräumen zu. Vor allem die dichten Maisfelder nehmen ihm jede Möglichkeit auf Leben.
Aber auch hier ist die Anpassungsfähigkeit des Austernfischers noch nicht am Ende. Es wurde bereits beobachtet, wie er sich geschotterte Flachdächer als Lebensraum erschließt. Hier kann er brüten und findet bestenfalls Insekten oder Würmer als Nahrung. Willkommen ist er aber leider nicht überall.
Für den Austernfischer muss es ein wenig so sein wie bei Hase und Igel: Überall, wo er hingeht, ist der Mensch schon da. Aber die Vergangenheit hat zugleich gezeigt, dass wir unsere negativen Einflüsse auf das Leben der Austernfischer zumindest ein stückweit wieder gut machen können. Dafür müssen wir uns unserer Verantwortung bewusst werden und dementsprechend handeln. Zum Schutz der Austernfischer braucht es mehr Schutzgebiete an der Küste und im Landesinneren. Außerdem wäre es hilfreich, die angesprochenen Flachdächer vogelfreundlicher zu gestalten. Damit wäre neben dem Austernfischer auch vielen weiteren Arten geholfen.