Der Graureiher

Der Graureiher ist mit einer Körpergröße von bis zu 98 Zentimetern und einer Flügelspannweite von bis zu 1,95 Metern ein recht großer Vertreter der heimischen Vogelwelt. Der Schreitvogel ist je nach Verbreitungsgebiet Stand- oder Zugvogel. Einige Populationen leben aber auch als Teilzieher. Die längste Strecke, die ein Graureiher bei seinem Zug nachweislich zurückgelegt hat, liegt bei 5.865 Kilometern – das entspricht der 9-fachen Luftlinie zwischen Frankfurt und London!

An seine Habitate stellt er keine hohen Ansprüche. Einzig ausreichend Nahrung muss natürlich vorhanden sein. Nicht besiedelt werden von ihm Hochgebirge, Steppen, Tundren und Wüsten. Die höchste Population in Europa lebt in der Schweiz auf einer Höhe von etwa 1.200 Metern. In Deutschland kommt er bis in Höhenlagen von rund 1.000 Metern vor.

Die Nahrung

Der Graureiher ernährt sich von Fischen – daher auch der Name „Fischreiher“ - sowie Molchen, Fröschen, Ratten, Mäusen, Schlangen und Insekten. Seltener auch von Eiern und Jungvögeln. In der Regel jagt der Graureiher alleine. Nur wenn es ein reichliches Nahrungsangebot gibt, kann man den Reiher in kleinen Gruppen bei der Nahrungssuche beobachten. In solchen Fällen kann man ihn auch zusammen mit anderen Reiherarten sehen – das nennt man „Vergesellschaftung“.

Sind Graureiher alleine auf Nahrungssuche, sind sie sehr energische Verteidiger ihrer Nahrungsplätze. Auseinandersetzungen mit Artgenossen können hier durchaus auch tödlich ausgehen. Vor allem dann, wenn der Graureiher seinen Nachwuchs zu ernähren hat. Auf Wiesen, wie auch im Wasser schreitet der Graureiher umher, bis er eine geeignete Stelle gefunden hat – das hat ihm die Bezeichnung als „Schreitvogel“ eingebracht. Dann verharrt er stocksteif und wartet ab, bis der passende Snack vorbeikommt. Typisch zu beobachten ist hier oft ein sehr langsames Vorbeugen um dann, im richtigen Moment, durch ein schnelles Zuschnappen zum Erfolg zu kommen. Oder auch nicht. Hier definieren Opfer und Jäger den „richtigen Moment“ je aus seiner eigenen Perspektive. War es der richtige Moment im Sinne des Graureihers, wird das erbeutete Tier im Ganzen verschlungen. Viel seltener zu beobachten ist der Graureiher bei der Jagd in tieferem Wasser. Hier landet er, bleibt ein paar Sekunden schwimmend im Wasser, um dann direkt wieder zu starten.
Von Zeit zu Zeit kommt es zu interessanten Begegnungen, zumindest für uns Fotografen. Eine davon könnt ihr auf meinem Bild sehen. Das Treffen von Graureiher und Nutria zeichnete sich allerdings durch gegenseitige Missachtung aus.

Das Nest und die Brut

Für das Brutverhalten des Graureihers gibt es im Grunde genommen keine festen Regeln. Er ist, was die Wahl des Neststandortes angeht, sehr variabel. In der Regel brütet er in Kolonien. Bei uns werden die Nester vor allem auf Bäumen angelegt. Allerdings brütet er andernorts, ebenfalls zumeist in Kolonien, auch am Boden – genauer gesagt, im Schutz von Schilfgürteln.

Was die Gestaltung des Nestes angeht, ist der Graureiher kein Ästhet. Mehr oder weniger sind seine Nester nichts weiter als ein Haufen Reisig in Baumwipfeln, der noch dazu nicht mit einer stabilen Konstruktion glänzt. Eine Theorie, warum das so ist, geht davon aus, dass der Graureiher noch nicht lange auf Bäume als Brutplatz zurückgreift. Demnach hat er seine „Haufennester“ einfach vom Boden in die Bäume verlegt, ohne dabei die Bauweise entscheidend zu verändern.

Trotz der Baumängel verwendet der Graureiher bestehende Nester gerne wieder. Das spart ihm eine Menge Zeit und vor allem Energie, die er andernfalls für die Suche nach Nistmaterial aufwenden müsste.
Sind Reparaturarbeiten oder ein Neubau nötig, obliegt die Aufgabe, das Material zu beschaffen, meist dem Männchen. Gebaut wird das Nest aber in der Regel von beiden Partnern gemeinsam.

Die Wanderung

Zur ersten Wanderung im Leben eines Graureihers kommt es bereits unmittelbar nach dem Verlassen des Nests. Von den Eltern in die Freiheit entlassen, heißt es, sich ein geeignetes Plätzchen mit ausreichend Nahrung zu suchen. Ist ein solcher Platz gefunden, halten sich die jungen Vögel dort gerne mehrere Wochen auf. Dann steht die nächste Wanderung an. Sofern sie die gefährliche Kindheit und Jugend überstanden haben.

Unsere Graureiher legen im Gegensatz zu vielen anderen Vögel keine weiten Strecken ins Winterquartier zurück. Denn sie sind sogenannte Teilzieher. Häufig ist Süd- oder Westeuropa ihr Ziel. Allerdings trifft das nicht auf alle Tiere zu. Es gibt auch Graureiher, die ihren Lebensraum in der kalten Jahreszeit nicht verlassen. Im Zuge des Klimawandels ist zu beobachten, dass sich die Anzahl der Tiere erhöht, die auf einen Zug verzichten und bei uns überwintern.

Trotz milderer Winter besteht ein Risiko für die Tiere, die bei uns bleiben. Frieren Gewässer während eines Kälteeinbruchs zu, kann es vorkommen dass Graureiher, ähnlich wie es bei Eisvögeln ist, verhungern. Was genau das eine Tier dazu bewegt zu ziehen und das andere Tier dazu veranlasst zu bleiben, ist bislang nicht geklärt.

Die Gefährdung

Der Graureiher gilt heute nicht mehr als gefährdet. Dies sah in den 1960er Jahren ganz anders aus. Durch Bejagung und starke Winter schmolz die Population in Deutschland besorgniserregend. In NRW zum Beispiel waren zu dieser Zeit gerade noch 50 Brutpaare zu finden. Erst mit dem Ende der Jagd auf Graureiher konnten sich die Bestände wieder erholen. Neben der Jagd ist der Graureiher aber vor allem auch durch den Verlust von Lebensraum und Artenvielfalt gefährdet. Es liegt an uns, dafür Sorge zu tragen, entsprechende Lebensräume zu erhalten. Neben dem Graureiher profitieren davon auch viele weitere Arten.

Gefahren für den Graureiher

Kommt ein Graureiher zur Welt, ist er gleich einer ganzen Reihe von Gefahren ausgesetzt. Da wären die Fressfeinde wie zum Beispiel der Seeadler oder der Fuchs. Der Fuchs ist natürlich nicht überall eine Gefahr. Denn zumeist befinden sich die Nester auf Bäumen, wo sie vor dem Fuchs sicher sind. Jedoch brütet der Graureiher auch auf dem Boden. Er macht dies aber nur dort, wo es weder Bäume noch Sträucher gibt. Um sich vor den Fressfeinden bestmöglich zu schützen, brütet der Graureiher in einer Kolonie. Da sein Nachwuchs als Nesthocker bis zu 8 Wochen lang versorgt wird, ist dieser Schutz der Kolonie wichtig für das Überleben der nächsten Generation.

Was sie auf der einen Seite schützt, sorgt auf der anderen Seite für ein zusätzliches Gefahrenpotenzial: Graureiher-Kolonien können mit bis zu 100 Nestern mitunter sehr groß werden. Wo so viele Tiere auf engem Raum zusammenkommen, haben es Parasiten nicht schwer, sich zu verbreiten. Nicht wenige Jungtiere werden durch sie geschwächt und werden nicht erwachsen. Davon abgesehen stellt auch das Wetter stets ein Risiko dar.

Bei diesen vielseitigen Gefahren verwundert es nicht, dass viele junge Graureiher ihren ersten Geburtstag nicht erleben. Und doch, der Graureiher lässt sich von all diesen Gefahren nicht unterkriegen – er ist die häufigste Reiherart in Mitteleuropa.

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