Müßiggang und Entschleunigung sind für ihn Fremdwörter. Immerzu ist der kleine Sanderling auf der Jagd nach Wellen. Zumindest könnte man das meinen, wenn man seinem Treiben zuschaut. Dabei hat er es natürlich nicht auf die Welle abgesehen - zumindest nicht direkt. Indirekt aber schon, denn jede Welle spült auch ein wenig Nahrung mit an Land. Und so läuft er in schnellen Trippelschritten Stunde um Stunde im Bereich der brechenden Wellen auf und ab und pickt angespülte Beutetiere auf - meist Kleinkrebse und Würmer. Dabei schafft er es - meistens zumindest - der nächstfolgenden Welle durch schnelles Wegtrippeln auszuweichen.
Der Sanderling ist ein Watvogel aus der Gattung der Strandläufer. Er wird bis zu 22 Zentimeter "groß" und erreicht eine Flügelspannweite von bis zu 45 Zentimetern. Dabei wiegt er bis zu 65 Gramm.
Übrigens, Sanderlinge sind offenbar sehr standorttreue Vögel. Dies zumindest wird vermutet, seit ein 1993 auf Helgoland beringter Sanderling im Jahr 2005 dort wieder beobachtet wurde.
"Keen Tied"
Im Plattdeutschen heißt der Sanderling "Keen Tied" (keine Zeit). In dem Video kannst du sehen, warum er zu diesem Namen gekommen ist. Seine kompletten Bewegungsabläufe wirken auf uns Menschen hektisch. Er ist ständig in Bewegung und vermittelt den Eindruck, keine Zeit zu haben.
Eine lange Reise
Von seinen arktischen Brutgebieten bis zu seinen tropischen Überwinterungsgebieten fliegen die Sanderlinge bis zu 5.000 Kilometer weit. Und das nonstop. Um diese Distanzen ohne Pause zu bewältigen, fressen sie sich vor der Reise ausreichend Fettreserven an. Diese machen dann bis zu 60 % ihres Körpergewichts aus.
Wenn uns die niedlichen Sanderlinge bei einem Strandspaziergang mit ihrer Anwesenheit erfreuen, können wir es uns nur schwer vorstellen, dass die kleinen Vögel in der Lage sind, diese Lange Reise anzutreten. Noch weniger haben wir eine Vorstellung darüber, wie es den Tieren dort geht. Um diese Wissenslücken zu schließen, haben sich niederländische Wissenschaftler genau dieser Fragestellung gewidmet.
Hierbei untersuchten die Wissenschaftler das Zugverhalten und die Überlebenswahrscheinlichkeit der Sanderlinge in verschiedenen afrikanischen Regionen und in Europa. Um an ausreichend Datenmaterial zu gelangen, wurde sowohl mit Ringfundanalysen als auch mit Geolokatoren gearbeitet. Die Ergebnisse ihrer Arbeiten weisen von Region zu Region zum Teil große Unterschiede auf.
In Westafrika ist die Überlebenswahrscheinlichkeit demnach am niedrigsten. Die Werte der europäischen und süfafrikanischen Gebiete waren auf ähnlichem Niveau deutlich besser. Daneben wurden noch zwei weitere Unterschiede, die auf Nachteile in den westafrikanischen Überwinterungsgebieten hindeuten, festgestellt: So wandern Tiere von hier erst mit einem fortgeschritteneren Alter wieder Richtung Norden. Zudem scheinen sie auch deutlich länger für ihre Reise zu brauchen. So kommen sie bis zu 15 Tage später in Island, ihrer letzten Zugetappe, an, als Tiere, die in nördlicheren und südlicheren Gebieten überwintern. Während eine Verspätung gegenüber jenen Tieren, die weiter nördlich mit der Reise beginnen, nicht überraschen muss, immerhin ist der Weg hier kürzer, wirft die Verspätung gegenüber den weiter südlich gestarteten Tieren doch Fragen auf.
Was die Ursache für die offensichtlich schlechteren Bedingungen in Westafrika ist, wurde in dieser Untersuchung nicht geklärt. Hier wird zukünftige Forschung hoffentlich für Aufklärung sorgen und bestenfalls dazu führen, dass sich die Bedingungen verbessern lassen. Die Wissenschaftler stellen aber die Hypothese auf, dass ökologische Bedingungen in Westafrika der Grund sind. Unter den Bedingungen vor Ort scheint es den Tieren nicht möglich zu sein, sich ausreichend Fettreserven für die lange Reise anzufuttern. Es bleibt abzuwarten, was Südafrika, trotz des deutlich weiteren Weges, zu einem besseren Überwinterungsgebiet für Sanderlinge macht als Westafrika.