Die Pfuhlschnepfe

Bei meinem Besuch an der Ostsee ist mir die Verwandte der Uferschnepfe über den Weg gelaufen: die Pfuhlschnepfe. Die beiden Arten ähneln einander. Doch es gibt ein paar Merkmale, an denen man Uferschnepfe und Pfuhlschnepfe leicht unterscheiden kann.

Während die Uferschnepfe einen gerade Schnabel hat, ist er bei der Pfuhlschnepfe leicht nach oben gebogen. Zudem sind die Beine der Pfuhlschnepfe etwas kürzer als die der Uferschnepfe. Damit wirkt sie insgesamt etwas kompakter und nicht ganz so elegant, wie die Uferschnepfe. Auch im Flugbild lassen sich Unterschiede ausmachen. So kann man bei der Pfuhlschnepfe einen keilförmigen, weißen Fleck auf dem Rücken und weiß-braune Querstreifen auf den Schwanzfedern erkennen. Die Schwanzfedern der Uferschnepfe sind hingegen weiß gefärbt mit einer schwarzen Endbinde, welche bei der Pfuhlschnepfe fehlt. Auch die weiße Flügelbinde (im Flug zeigt sie sich in Form eines weißen Streifens auf der Oberseite der Flügel) hat nur die Uferschnepfe.

Die Überwinterung

Anders als die Uferschnepfe brütet die Pfuhlschnepfe nicht bei uns in Deutschland. Sie lässt sich lediglich im Winter bei uns nieder. Je nachdem, aus welchem Land eine Pfuhlschnepfe kommt, bleibt sie entweder den gesamten Winter oder macht nur einen Zwischenstopp in Deutschland.
So kommen in Skandinavien brütende Pfuhlschnepfen um zu bleiben, zumindest bis zur nächsten Brutsaison. In Sibirien brütende Vögel nutzen die deutsche Küste hingegen nur als Rastgebiet. Haben sie sich ein ausreichendes Fettpölsterchen angefressen, geht die Reise weiter nach Afrika, wo sie den Winter verbringen. Etwa im April kehren sie von dort wieder zu uns zurück, um abermals Energie für die Rückreise zu tanken.

Doch wie können sie überhaupt diese unglaubliche Strecke zurücklegen?
Die Pfuhlschnepfen verkleinern vor ihrer langen Reise ihre Organe, um Gewicht einzusparen. Dadurch können sie mehr Fettreserven transportieren. Welche Leistungen sie dadurch erbringen können, lassen einen staunen: Im Herbst 2007 wurde eine Pfuhlschnepfe aus Alaska mit einem Minisender bestückt. Das Ergebnis ist atemberaubend: In neun Tagen flog sie Nonstop 11.500 Kilometer in ihr neuseeländisches Winterquartier.

Die Rast an den deutschen Küsten ist für Pfuhlschnepfen wichtig, um sich für die lange Reise auszuruhen und zu stärken. Jede Störung bedeutet für sie eine kräftezehrende Flucht. Deswegen gilt es Rücksicht zu nehmen und zu verhindern, dass die Tiere gestört werden.

... im Wattenmeer

Die Pfuhlschnepfe gehört zu den 10 bis 12 Millionen Zugvögeln, die wir dort als Durchzügler oder Überwinterer beobachten können. Im Wattenmeer ist der Tisch für sie reich gedeckt. Die Pfuhlschnepfe ernährt sich mit Vorliebe von Insekten, Würmern und Krebstieren. Und davon findet sie reichlich, wenn sie mit ihrem langen Schnabel im Watt stochert. Auf einem Quadratmeter können bis zu 100 Wattwürmer, 50.000 Wattschnecken und 100.000 Schlickkrebse leben!

Kein Wunder, dass viele Zugvögel zumindest eine kurze Rast im Wattenmeer einlegen, um ihre Energiereserven aufzufüllen. Die müssen bei der Pfuhlschnepfe nach der oft mehrere Tausend Kilometer langen Reise schnellstmöglich aufgefüllt werden. Nachdem sie für den Flug ihre Organe verkleinert hat, sind bei der Ankunft nicht nur die Fettreserven verbraucht. Sogar Teile des Brust- und Herzmuskels sind abgebaut.

Es ist somit umso wichtiger, dass wir die bis zu 60.000 Pfuhlschnepfen, die in der kalten Jahreszeit im deutschen Wattenmeer rasten, nicht stören. Etwas Ruhe haben sich die Hochleistungssportler mehr als verdient.

Die Brut

Die Pfuhlschnepfe brütet in der Tundra. Innerhalb dieser Lebensraumart ist sie allerdings nicht festgelegt. Vor allem moorige Gebiete erfreuen sich in der Brutzeit großer Beliebtheit. Diese können sich in der Strauch- und Moostundra befinden. Doch auch Birken- und Weidegürtel in der Nähe der Baumgrenze werden als Brutgebiet angenommen.

Die Brutmulden der Pfuhlschnepfe sind, watvögeltypisch, spartanisch eingerichtet. Eine Mulde im Boden mit ein wenig Pflanzenmaterial ausgelegt genügt ihr. Darin legt sie etwa drei bis vier Eier, die von beiden Elternteilen rund 20 Tage lang bebrütet werden. Die Eier sind je nach Brutregion unterschiedlich gefärbt. Das Farbspektrum reicht von einem hellen Oliv bis zu einem dunkleren Oliv-Braun.

Bei der Pfuhlschnepfe gibt es nur eine Brut im Jahr. Sobald das Brutgeschäft erledigt ist, macht sie sich auf den Weg in ihr Winterquartier. Zu dieser Zeit können wir diesen schönen Vogel auch an unseren Küsten beobachten. Den Weg ins Landesinnere findet sie dabei eher selten.

Die Pfuhlschnepfe passt sich dem Rhythmus des Meeres an. Abhängig vom Zeitpunkt der Ebbe, macht sie sich auch nachts den reich gedeckten Tisch bei der Nahrungssuche zunutze.

Auffällig bei der Pfuhlschnepfe ist, dass sie gerne unter sich bleibt und möglichst auf die Gesellschaft anderer Arten verzichtet. Allerdings ist dies kein Gesetz. Wird der Platz am Strand durch die einkehrende Flut für alle enger, ist auch die Pfuhlschnepfe häufiger gemeinsam mit anderen Arten zu beobachten. Dabei wird die Flut in der Regel zur Erholung genutzt.

Gefährdung

Wenn wir heute große Gruppen überwinternder Pfuhlschnepfen im Wattenmeer oder der Ostseeküste beobachten, fällt es schwer zu glauben, dass diese wundervollen Vögel bedroht sind. Doch leider ist genau das der Fall. Bereits im Jahr 2015 wurde die Pfuhlschnepfe in die internationale Rote Liste aufgenommen und gilt seitdem offiziell als im Bestand gefährdet. Und leider, so sieht es aus, wird sich ihre Situation auch in Zukunft eher verschlechtern als verbessern.

Dies zumindest ergab die Arbeit eines Forschungsteams, das neben der Verbreitungsentwicklung anderer Arten auch die der Pfuhlschnepfe untersuchte. Beauftragt wurde die Forschung von der britischen Umweltbehörde und der Royal Society for the Protection of Birds (RSPB). Hierfür wurde eine mögliche Bestandsentwicklung anhand unterschiedlicher Klimamodelle errechnet. Die Pfuhlschnepfe gilt demnach als vom Klimawandel besonders betroffen, ähnlich wie viele weitere Langstreckenzieher.

Im Ergebnis wird es, nach diesen Berechnungen, eine Verbreitungsverschiebung geben, mit der eine extreme Verkleinerung des Verbreitungsareals einhergeht. In Zahlen ausgedrückt wird sich das Verbreitungsgebiet der Pfuhlschnepfe um etwa 75 Prozent verkleinern. Sie wird dann nur noch im äußersten Nordosten Russlands, sowie im Süden von Nowaja Semlja verbreitet sein. Nowaja Semlja ist eine russische Doppelinsel im Nordpolarmeer. Beide Regionen sind heute noch nicht von der Pfuhlschnepfe besiedelt.

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